AMK / Auf einer gemischten neonatologischen und pädiatrischen
Intensivstation einer Kinderklinik wurde im September 2018 ein
nosokomialer Ausbruch von Cronobacter sakazakii
im Rahmen eines seit 2014 bestehenden mikrobiologischen Screenings
festgestellt. Es wurde ein kausaler Zusammenhang mit dem Tragant in der
eigenhergestellten Hydrochlorothiazid-Suspension vermutet. Die
herstellende Apotheke informierte daraufhin die AMK hinsichtlich einer
Nebenwirkung, die durch einen vermuteten Qualitätsmangel bei dem
Hilfsstoff bedingt sei.
Cronobacter spp. sind gramnegative Stäbchen und zählen zur Familie der Enterobacteriaceae. Bislang sind C.-sakazakii-Ausbrüche
vor allem im Zusammenhang mit der Zubereitung und Gabe von
Säuglingsanfangsnahrungen und Biofilmen in Magensonden beobachtet worden
(1). Der opportunistisch pathogene Keim kann insbesondere bei
immunkompromittierten Patienten zu nekrotisierender Enterokolitis,
Septikämie und Meningitis führen. Das Risiko einer Infektion steigt bei
Frühgeborenen, die ein Körpergewicht von etwa 2500 g unterschreiten (1).
Das
pflanzliche Produkt Tragant findet Verwendung in Arzneimitteln und
dient in Rezepturen vor allem der Stabilisierung von Oral-Suspensionen.
Es besteht aus Polysacchariden und wenig Wasser, Stärke und Proteinen.
Aufgrund seiner natürlichen mikrobiologischen Kontamination fordert das
Europäische Arzneibuch (Ph. Eur.) zwar explizit die Abwesenheit von
Escherichia coli und Salmonellen, begrenzt aber die Gesamtzahl anderer
aerober Mikroorganismen, inklusive Hefen und Schimmelpilze, nur auf
hohem Niveau (2). Untersuchungen im Auftrag der DAC/NRF-Kommission an
einem Muster handelsüblichem Tragants bestätigten das Vorkommen von
Cronobacter spp. (siehe Gemeinsame Stellungnahme der BAK, DAC/NRF und ADKA). Tragant ist nicht steril und kann nach abschließender Bewertung des Sachverhalts der AMK eine Quelle für C. sakazakii darstellen.
Besonders
bei Verwendung nicht steriler Naturprodukte in wässrigen
Rezepturarzneimitteln müssen mikrobiologische Qualität und Stabilität
sichergestellt werden. Üblicherweise tragen hierzu folgende Maßnahmen
bei: Vorauswahl von Ausgangstoffen mit niedrigen Keimzahlen (laut
Prüfzertifikat) und geeigneter Primärpackmittel, Konservierung,
Kaltlagerung, Sterilisation im Herstellungsprozess oder Kombination
solcher Maßnahmen. Suspensionen erlauben weder eine thermische
Entkeimung, noch eine Sterilfiltration.
Auf Basis dieser Bewertungen gibt die AMK in Abstimmung mit dem DAC/NRF ApothekerInnen folgende Empfehlungen:
- Bitte prüfen Sie aktuelle Herstellungsanweisungen Tragant-haltiger Rezepturarzneimittel bezüglich der plausiblen Konservierung.
- Vorsorglich
sind Untersuchungen zur Validierung der mikrobiologischen Qualität
Tragant-haltiger Rezepturen – insbesondere bei der Defekturherstellung –
ratsam.
- Bei Unsicherheiten bezüglich der
Interpretation entsprechend kritischer Rezepturvorschriften oder bei
Abänderungen sollte Rücksprache mit den Autoren der Vorschrift gehalten
werden.
Grundsätzlich sollten ApothekerInnen die
konkrete Anwendung des Arzneimittels aus Eigenherstellung sowie die
vorgesehene Patientengruppe bekannt sein. Immunkompromittierende
(Begleit-)Erkrankungen bzw. immunsuppressive Therapien, einschließlich
mit Kortikosteroiden, sind zudem zu berücksichtigen (3). Auch sollten
die (Infektions-)Risiken und der Nutzen der Rezeptur bei Bedarf
gemeinsam mit der(m) verordnenden Klinik/Arzt erörtert werden (4).
Gegebenenfalls ist der bestimmungsgemäße Einsatz regelmäßig zu
evaluieren.
Die AMK empfiehlt zudem, die Abwesenheit bestimmter
weiterer Enterobacteriacae in die Monografie Tragant des Ph. Eur.
aufzunehmen und die zulässige Keimbelastung insgesamt zu reduzieren.
Die
AMK bittet ApothekerInnen, Risiken im Zusammenhang mit der Herstellung
und Anwendung von Rezepturarzneimitteln unter
www.arzneimittelkommission.de zu melden.
Quellen
1)
Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR); Empfehlung zur hygienischen
Zubereitung von pulverförminger Säuglingsnahrung. Stellungnahme Nr.
040/2012 des BfR vom 6. November 2012.
2) Ph. Eur. 9. Ausgabe, Grundwerk 2017 Monografie 9.0/0532 Tragant.
3)
Ph. Eur. 9. Ausgabe, Grundwerk 2017 Monografie 5.1.4 Mikrobiologische
Qualität von nicht sterilen pharmazeutischen Zubereitungen und von
Substanzen zur Pharmazeutischen Verwendung.
4) AMK; Bedenkliche Rezepturarzneimittel Stand Mai 2018 (2018) Pharm. Ztg. 163 (23): 93-97.