AMK / Halbjährlich veröffentlicht die AMK Verzeichnisse ihrer
Nachrichten mit dem Titel, der PZ-Fundstelle und dem Grund der
Veröffentlichung (siehe Tabelle im Service-Teil dieser Ausgabe). Die
folgende Zusammenfassung gibt in Kürze ausgewählte AMK-Nachrichten aus
der zweiten Jahreshälfte 2015 wieder.
In dieser Zusammenfassung tauchen wiederholt europäische
Institutionen und deren Abkürzungen auf, die in der Pharmakovigilanz
eine Rolle spielen:
- Die Europäische Arzneimittelagentur oder European Medicines Agency (EMA)
ist verantwortlich für die wissenschaftliche Bewertung von
Zulassungsanträgen für Arzneimittel, die in der EU in den Verkehr
gebracht werden. Die EMA überwacht die Sicherheit dieser Arzneimittel
und ergreift wenn nötig Maßnahmen zu ihrer Gewährleistung.
EU-Arzneimittelzulassungen werden durch die Europäische Kommission
erteilt, geändert oder widerrufen.
- Der Ausschuss für Humanarzneimittel oder Committee for Medicinal Products for Human Use (CHMP) der EMA erarbeitet Stellungnahmen (»opinions«) der EMA zu allen Fragen im Zusammenhang mit Humanarzneimitteln.
- Der Ausschuss für Risikobewertung im Bereich der Pharmakovigilanz oder Pharmacovigilance Risk Assessment Committee (PRAC)
der EMA ist für die Überwachung und Bewertung der Sicherheit von
Humanarzneimitteln zuständig und für die europäischen
Risikobewertungsverfahren verantwortlich.
- Die
Koordinierungsgruppe für Verfahren der gegenseitigen Anerkennung und
dezentrale Verfahren der EMA (Coordination Group for Mutual Recognition
and Decentralised Procedures – Human, CMDh) bearbeitet
Zulassungsänderungen bei Arzneimitteln, die auf Grund dezentraler
Verfahren oder Verfahren der gegenseitigen Anerkennung in zwei oder mehr
EU-Mitgliedsstaaten im Verkehr sind.
Maßnahmen der Arzneimittelbehörden
Die
Zulassungsinhaber Codein-haltiger Arzneimittel wurden im Juli vom BfArM
aufgefordert, Änderungen der Produktinformationen vorzunehmen: Künftig
ist die Anwendung von Codein bei Husten und
Erkältungskrankheiten kontraindiziert bei Kindern unter 12 Jahren, bei
stillenden Frauen und bei ultraschnellen CYP2D6-Metabolisierern.
Bei Kindern und Jugendlichen zwischen 12 und 18 Jahren mit
eingeschränkter Atemfunktion wird die Anwendung nicht empfohlen. Auch
Apotheken, die Codein auf Grund von Standardzulassungen in Verkehr
bringen, wird empfohlen, die Gebrauchsinformationen zu aktualisieren (PZ
27/2015, Seite 95).
Im Juli ordnete das BfArM an, dass die gleichzeitige Behandlung mit Apomorphin als Kontraindikation in alle Produktinformationen Ondansetron-haltiger Arzneimittel
aufzunehmen ist. Weil es bei gleichzeitiger Behandlung mit Apomorphin
in einer klinischen Studie zu starkem Blutdruckabfall und
Bewusstseinsverlust kam, darf nicht gleichzeitig mit dem
5-HT3-Rezeptor-Antagonisten Ondansetron und dem Dopaminagonisten
Apomorphin behandelt werden. Der dieser Wechselwirkung zugrunde liegende
Mechanismus ist nicht bekannt (PZ 29/2015, Seite 91).
Das BfArM setzte im Juli einen Beschluss der CMDh um, wonach die Produktinformationen von Ibuprofen- und Dexibuprofen-haltigen Arzneimitteln zur systemischen Anwendung wegen des kardiovaskulären Risikos
anzupassen sind. Folgende Anwendungsbeschränkungen sind anzugeben: Bei
schwerer Herzinsuffizienz ist Ibuprofen beziehungsweise Dexibuprofen
kontraindiziert. Bei Patienten mit unkontrollierter Hypertonie,
Herzinsuffizienz, ischämischer Herzkrankheit, peripherer arterieller
Verschlusskrankheit und zerebrovaskulärer Erkrankung soll Ibuprofen
beziehungsweise Dexibuprofen nur nach sorgfältiger Abwägung angewendet
werden; hohe Dosen von Ibuprofen (über 2 400 mg/Tag) beziehungsweise
Dexibuprofen (über 1 200 mg/Tag) sind zu vermeiden. Die
Langzeitbehandlung von Patienten mit Risikofaktoren für kardiovaskuläre
Ereignisse soll sorgfältig abgewogen werden, besonders wenn hohe Dosen
von Ibuprofen beziehungsweise Dexibuprofen nötig sind. Die regelmäßige
Langzeitanwendung von Ibuprofen beziehungsweise Dexibuprofen kann
möglicherweise die kardioprotektive Wirkung von niedrig dosierter
Acetylsalicylsäure beeinträchtigen und wird nicht empfohlen. Klinische
Studien weisen darauf hin, dass die Anwendung von Ibuprofen
beziehungsweise Dexibuprofen, besonders in hohen Dosen, möglicherweise
mit einem geringfügig erhöhten Risiko arterieller thrombotischer
Ereignisse einhergeht (PZ 31/2015, Seite 81).
Ende 2013 wurde eine Neuformulierung von Xalatan® Augentropfen (Latanoprost)
in den Verkehr gebracht, die statt im Kühlschrank bei Raumtemperatur
aufbewahrt werden. Seither hatte die AMK vermehrt Meldungen über starke Augenreizungen
erhalten. Diese wurden vermutlich durch eine Senkung des pH-Wertes
verursacht. Die Zunahme der Meldungen wurde als Signal für eine mögliche
Beeinträchtigung der Therapietreue gewertet und durch den PRAC
analysiert. Dem PRAC zufolge sollen nun Patienten, die Xalatan erhalten,
bei übermäßiger Augenreizung umgehend ärztlichen Rat suchen, damit eine
angemessene Weiterbehandlung gewährleistet ist; ein Hinweis soll in die
Gebrauchsinformation aufgenommen werden. Dieser Fall zeigte die
Bedeutung von Verdachtsmeldungen einer unerwünschten
Arzneimittelwirkung, selbst wenn diese in der Produktinformation bereits
aufgeführt ist (PZ 34/2015, Seite 75).
Das BfArM informierte im August über schwere Bradykardien bei gleichzeitiger Behandlung mit Amiodaron (Cordarex®) und Sofosbuvir (Sovaldi®) in Kombination mit Simeprevir (Olysio®).
Schon in der ersten Jahreshälfte hatte der PRAC Maßnahmen wegen
schwerer Herzrhythmusstörungen bei gleichzeitiger Behandlung mit
Amiodaron und den Kombinationen Sofosbuvir/Ledipasvir beziehungsweise
Sofosbuvir/Daclatasvir initiiert. Wegen des Risikos von Bradykardien und
Herzblock soll die gleichzeitige Behandlung mit Amiodaron und
Kombinationen von Sofosbuvir und Simeprevir, Daclatasvir (Daklinza®) oder Ledipasvir (Harvoni®) vermieden werden, es sei denn, alternative Antiarrhythmika kommen nicht in Frage (PZ 35/2015, Seite 76).
Das BfArM ordnete im Oktober per Stufenplanbescheid zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen für Adrenalin-haltige Autoinjektoren
an und setzte damit einen Durchführungsbeschluss der EU-Kommission um.
Wenn eine erste Injektion keine klinische Verbesserung bewirkt oder eine
Verschlechterung eintritt, kann 5 bis 15 Minuten später eine zweite
Injektion angewendet werden. Es wird empfohlen, den Patienten zwei
Autoinjektoren zu verschreiben, die sie zu jeder Zeit bei sich tragen
sollen. Ferner wurde von den Zulassungsinhabern die Vorlage eines
Risikomanagementplans gefordert, der auch Schulungsmaterialien vorsieht,
um sicherzustellen, dass sowohl medizinisches Fachpersonal als auch
Patienten und Betreuungspersonen Adrenalin-haltige Autoinjektoren
bestimmungsgemäß anwenden können. Außerdem sollen die Zulassungsinhaber
Pharmakokinetik-/Pharmakodynamik-Studien durchführen, um den Einfluss
verschiedener Faktoren auf Verteilung, Exposition und Wirkung von
Adrenalin bei Gabe über den jeweiligen Adrenalin-Autoinjektor zu
untersuchen (PZ 41/2015, Seite 169).
Auf Grund des Risikos von progressiven multifokalen Leukenzephalopathien (PML) unter Dimethylfumarat
empfahl der CHMP im Oktober umfangreiche Änderungen der
Produktinformationen. Die in die Fach- und Gebrauchsinformation
aufzunehmenden Hinweise zur Risikominimierung sind bei dem
Multiple-Sklerose-Arzneimittel Tecfidera® und dem Antipsoriatikum Fumaderm®
etwas unterschiedlich. Sie umfassen vor allem eine klinische und
laborchemische Überwachung (Lymphozytenzahl, MRT-Untersuchungen). Bei
Verdacht auf eine PML ist die Therapie mit Dimethylfumarat sofort
abzubrechen (PZ 44/2015, Seite 92).
Die EMA warnte im November vor der Anwendung von Mycophenolat Mofetil beziehungsweise Mycophenolsäure (zum Beispiel Cellcept® beziehungsweise Myfortic®) während der Schwangerschaft,
wenn Behandlungsalternativen verfügbar sind. Die bereits in den
Produktinformationen enthaltenen Warnungen sollen deutlich verstärkt
werden: Mycophenolat ruft eine höhere Rate an spontanen Aborten und
angeborenen Missbildungen hervor als andere Immunsuppressiva, die in der
Transplantationsmedizin verwendet werden. Eine Schwangerschaft muss vor
Therapiebeginn sicher ausgeschlossen werden. Mycophenolat soll nur dann
bei gebärfähigen Frauen angewandt werden, wenn diese zuverlässige
Verhütungsmethoden bis sechs Wochen nach Therapieende einsetzen. Männer
sollen bis 90 Tage nach Therapieende Kondome benutzen; ihre Partnerinnen
sollen in dieser Zeit ebenfalls wirksame Verhütungsmethoden anwenden.
Ärzte sollen ihre Patienten und deren Partner umfassend aufklären, um
sicherzustellen, dass sie die Risiken von Mycophenolat für ungeborene
Kinder sowie die Maßnahmen zu ihrer Minimierung verstehen (PZ 45/2015,
Seite 114).
Das BfR empfiehlt seit Dezember 2015 Anwendungsbeschränkungen für isolierte Isoflavone bei Frauen in den Wechseljahren.
Da sie schwach östrogen wirken, könnten sie entsprechende unerwünschte
Wirkungen hervorrufen. Der EFSA (Europäische Behörde für
Lebensmittelsicherheit) zufolge gibt es aber aus Humanstudien keine
Hinweise auf unerwünschte Wirkungen von isolierten Isoflavonen auf die
weibliche Brustdrüse, die Gebärmutter und die Schilddrüse. Die in den
Studien verwendeten Isoflavon-Dosierungen und Einnahmezeiträume könnten
daher als Orientierung für eine als hinreichend sicher anzunehmende
Verwendung nach der Menopause dienen. Für Präparate aus Soja sind dies
Dosierungen an Isoflavonen/Extrakten von bis zu 100 mg pro Tag bei einer
Einnahmedauer von bis zu zehn Monaten; für Präparate aus Rotklee
Dosierungen von bis zu 43,5 mg Isoflavonen pro Tag bei einer
Einnahmedauer von bis zu drei Monaten. Patienten mit östrogenabhängigen
Krankheiten der Brustdrüse oder der Gebärmutter, aktuell oder in der
Anamnese, sei die Einnahme isolierter Isoflavone nicht zu empfehlen. Da
möglicherweise nicht bekannt ist, ob eine östrogenabhängige Krankheit
vorliegt, sei es sinnvoll, vor der Einnahme von Isoflavonen ärztlichen
Rat einzuholen (PZ 49/2015, Seite 113).
Informationen der Hersteller
Die
drei Firmen Astra Zeneca AB, Boehringer Ingelheim International GmbH
und Janssen-Cilag International N.V. teilten im Juli in einem
gemeinsamen Informationsbrief mit, dass Typ-2-Diabetiker, die mit einem SGLT2-Inhibitor (Canagliflozin, Dapagliflozin, Empagliflozin)
behandelt werden und Symptome einer Azidose zeigen, in jedem Fall auf
Ketonkörper getestet werden sollen. Verzögerungen von Diagnose und
Behandlung einer Ketoazidose sollen dadurch vermieden werden. Ein für
eine diabetische Ketoazidose untypischer, nur mäßig erhöhter oder
erniedrigter Blutzuckerspiegel soll nicht davon abhalten, auf eine
Azidose zu testen. Bei Verdacht auf Ketoazidose soll die Behandlung mit
dem SGLT2-Inhibitor unterbrochen werden. Betont wurde, dass
SGLT2-Inhibitoren nicht für Diabetes mellitus Typ 1 zugelassen sind, da
es sich bei einem Drittel der berichteten Ketoazidose-Fälle um
Typ-1-Diabetiker handelte (PZ 29/2015, Seite 91).
Durch einen Rote-Hand-Brief berichtete die Firma Amgen GmbH im August über weitere Maßnahmen zur Minimierung des Risikos von Kieferosteonekrosen unter Xgeva® (Denosumab),
die bei bis zu 10 % der Patienten auftreten. Daher ist Xgeva nunmehr
kontraindiziert bei Patienten mit nicht verheilten Läsionen aus
Operationen im Mund oder an den Zähnen. Die Sicherheitshinweise in den
Produktinformationen sollen deutlicher hervorgehoben und eine
Erinnerungskarte für Patienten mit Details zu Vorsichtsmaßnahmen soll
eingeführt werden: Die Patienten sollen vor Therapiebeginn den Arzt über
jegliche Probleme im Mund oder an den Zähnen informieren. Während der
Behandlung sollen sie eine gute Mundhygiene sowie zahnärztliche
Routine-Untersuchungen einhalten. Bei zahnärztlichen Behandlungen sollen
sie dem Zahnarzt mitteilen, dass sie mit Xgeva® behandelt werden. Arzt
und Zahnarzt sind unverzüglich zu kontaktieren, wenn jegliche Probleme
im Mund oder an den Zähnen auftreten, wie lockere Zähne, Schmerzen oder
Schwellungen, nicht heilende, wunde Stellen oder Ausfluss (PZ 32/2015,
Seite 78).
Im September informierte die Firma Janssen-Cilag GmbH über schwere Hautreaktionen unter Reminyl® (Galantamin).
Stevens-Johnson-Syndrom (SJS), akute generalisierte exanthematische
Pustulose (AGEP) und Erythema multiforme (EM) wurden als seltene UAW in
die Produktinformationen aufgenommen. Patienten, die Galantamin
erhalten, sowie deren Angehörige und Pflegekräfte, sollen über die
Bedeutung der Hautreaktionen informiert sein. Beim ersten Auftreten
eines Hautausschlages soll die Therapie mit Galantamin beendet werden
(PZ 39/2015, Seite 95).
Die Firma Pfizer Pharma GmbH benachrichtigte im Oktober mittels
Rote-Hand-Brief über Ergänzungen der Produktinformationen des neuen
Proteinkinase-Hemmers Crizotinib (Xalkori®) im Hinblick auf
Herzinsuffizienz. Schwere, manchmal tödlich verlaufene Fälle von
Herzinsuffizienz wurden bei Patienten mit nicht-kleinzelligem
Bronchialkarzinom unter Crizotinib berichtet. Dies betraf sowohl
Patienten mit als auch ohne vorbestehende Herzkrankheiten und wurde mit
einer Häufigkeit von etwa 1 % beobachtet. Die Mehrzahl der Fälle
ereignete sich im ersten Behandlungsmonat. Daher sollen Patienten unter Crizotinib auf Zeichen von Herzinsuffizienz
überwacht werden. Falls diese auftreten, muss eine Unterbrechung oder
ein Abbruch der Therapie oder eine Dosisreduktion in Betracht gezogen
werden (PZ 43/2015, Seite 100).
Mittels Informationsbrief wies die Firma Roche Pharma AG im Oktober auf durch Vemurafenib (Zelboraf®) potenzierte Strahlenschäden
hin. Zelboraf® ist angezeigt als Monotherapie bei
BRAF-V600-Mutation-positivem, nicht resezierbarem oder metastasiertem
Melanom. 20 Fälle von Strahlenschäden wurden als Radiation-Recall, eine
entzündliche Reaktion zuvor bestrahlter Haut, oder als
Strahlensensibilisierung klassifiziert. Die Radiation-Recall-Fälle
betrafen meist die Haut, aber auch die Lunge sowie die Harnblase. Auch
die Strahlensensibilisierung betraf überwiegend die Haut, aber auch die
Speiseröhre, die Leber und das Rektum. Drei Fälle gingen tödlich aus.
Zelboraf® soll daher vor, während und unmittelbar nach einer
Strahlentherapie mit Vorsicht angewendet werden (PZ 43/2015, Seite 100).
Die Firma Celgene GmbH teilte im November mittels Rote-Hand-Brief mit, dass die Initialdosis von Thalidomide Celgene®
bei Anwendung in Kombination mit Melphalan und Prednison bei Patienten
über 75 Jahre von 200 mg pro Tag auf 100 mg pro Tag zu reduzieren ist,
um schwere unerwünschte Wirkungen zu vermindern. Thalidomide Celgene ist
zugelassen in Kombination mit Melphalan und Prednison für die
Erstlinientherapie des unbehandelten multiplen Myeloms bei Patienten ab
65 Jahren beziehungsweise bei Patienten, für die eine hochdosierte
Chemotherapie nicht in Frage kommt. Außerdem wird bei über 75-Jährigen
eine Reduktion der initialen Melphalan-Dosis empfohlen (PZ 46/2015,
Seite 115).
Rechtliche Änderungen
Zum 21. November 2015 wurden in der Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung (BtMVV)
folgende Verschreibungshöchstmengen geändert: Die
Verschreibungshöchstmenge für Levomethadon stieg von 1 500 mg auf
1 800 mg; entsprechend erhöhte sich die Verschreibungshöchstmenge von
Methadon von 3 000 mg auf 3 600 mg. Die Verschreibungshöchstmenge für
Morphin wurde von 20 000 mg auf 24 000 mg angehoben (PZ 50/2015,
Seite 117). /