AMK / Eine Arztpraxis berichtete der AMK, dass bei Zwillingen versehentlich vergessen wurde, das Haemophilus-influenzae-Typ-b(Hib)-Antigen
 des Impfstoffs Infanrix-IPV + Hib®, Pulver und Suspension zur 
Herstellung einer Injektionssuspension, zu verimpfen. Unmittelbar nach 
der Impfung bemerkte der Arzt den Irrtum und informierte den Vater über 
den Fehler. Daraufhin wurde erneut der korrekt zubereitete Impfstoff 
appliziert. Hierdurch erhielten die drei Monate alten Säuglinge zwar die
 Hib-Komponente, aber auch erneut die restlichen Antigene.
Infanrix-IPV
 + Hib® besteht aus zwei Komponenten. Die Fertigspritze enthält Antigene
 für Diphtherie, Tetanus, Pertussis und Poliomyelitis als Suspension. 
Diese sind vor der Applikation mit dem Hib-Antigen - in einer 
gesonderten Durchstechflasche als weißes Lyophilisat vorliegend - 
aufzulösen und anschließend wieder in dieselbe Fertigspritze aufzuziehen
 (1). Der 5-fach-Impfstoff wird nach den Empfehlungen der Ständigen 
Impfkommission (STIKO) unter anderem im Alter von 2, 3, 4 und 11 bis 14 
Monaten zur Grundimmunisierung injiziert.
Für die Beurteilung von
 Medikationsfehlern und der Ableitung von Maßnahmen ist insbesondere die
 Kenntnis von fehlerbeitragenden Faktoren im Medikationsprozess 
bedeutsam. In der Zusammenschau aller dokumentierten Informationen sind 
nach Meinung der AMK vor allem folgende Faktoren am Ereignis beteiligt 
gewesen:
- Zu einem Impftermin sollten beide Mädchen zugleich 
noch einen weiteren Impfstoff erhalten. Somit sollten insgesamt vier 
Impfungen gleichzeitig erfolgen.
 
- Nur der Arzt und der 
Vater mit seinen Mädchen waren im Behandlungsraum anwesend. Der Arzt 
wurde durch einen sturzgefährdeten Säugling abgelenkt, der kurzzeitig 
unbeobachtet auf der Liege lag.
 
- Die Apotheke hatte 
infolge eines Lieferengpasses der N1-Packungsgröße die Impfdosen 
ausgeeinzelt, patientenindividuell verpackt und ohne Gebrauchsanweisung 
der Arztpraxis geliefert. Somit lagen dem Arzt ausschließlich die 
Primärpackmittel des Impfstoffs sowie die üblicherweise in der Praxis 
genutzten Informationsmedien vor.
 
Bezugnehmend hierauf sind 
nach Einschätzung der AMK weder die Aufmachung der Primärpackmittel noch
 die in der Praxis genutzten Medien geeignet, Anwender über den 
jeweiligen Inhalt der Primärpackmittel hinreichend zu informieren. 
Darüber hinaus heben auch die Gebrauchs- und Fachinformation den 
Sachverhalt von zwei getrennt voneinander vorliegenden, 
wirkstoffhaltigen Komponenten nicht angemessen hervor. Vielmehr kann der
 Eindruck entstehen, dass es sich bei der Fertigspritze um eine 
applikationsfertige oder lösungsmittelhaltige Spritze handelt, was auch 
der oben genannte Fallhergang gut dokumentiert.
Erschwerend kommt
 hinzu, dass auf Etiketten kleinvolumiger Behältnisse in der Regel nur 
begrenzter Platz für ausführliche Informationen zur Verfügung stehen; 
überdies soll eine Beurteilung der Injektionssuspension (wie Farbe, 
Agglomerate, Füllhöhe) möglich sein.
In der Literatur wurden 
vergleichbare Fehlerursachen auch für Infanrix Hexa und Pentavac® 
berichtet (2). Bei diesen Impfstoffen ist die Hib-Komponente ebenfalls 
in einer Durchstechflasche gesondert von der Fertigspritze mit den 
restlichen Antigenen abgepackt. Aktuelle Auswertungen europäischer 
Spontanberichtsdaten ergaben, dass innerhalb der Gruppe von Impfstoffen 
mit separater Hib-Komponente Medikationsfehlerberichte der Kategorie 
„unvollständige Impfung“ am häufigsten vorkommen (3). Zwei weitere Fälle
 aus der AMK-Datenbank zeigten ebenfalls, dass bereits beim Auseinzeln 
durch die Apotheke die Hib-Komponente übersehen werden kann.
Zusammenfassend
 können die Packweise, das Auseinzeln und die Aufmachung der 
Primärpackmittel zur Fehlapplikation von Impfstoffen beitragen, wenn 
Antigene getrennt verpackt sind. Daher möchte die AMK ApotherkerInnen 
daran erinnern, bei Abgabe entsprechender Impfstoffe besonders 
aufmerksam zu sein, um das Risiko von Fehlapplikationen zu reduzieren.
Arzneimittelrisiken,
 einschließlich Medikationsfehler, im Zusammenhang mit der Anwendung von
 Impfstoffen sind bitte unter www.arzneimittelkommission.de zu melden. /
Quellen
1)
 GlaxoSmithKline GmbH Co. KG; Infanrix-IPV + Hib Pulver und Suspension 
zur Herstellung einer Injektionssuspension, Fachinformation (Stand: März
 2017)
2) n.n.; Infanrix Hexa: errors in reconstituting the vaccine. Prescrire Int 2018; 27(192):97
3)
 Hoeve C.E. et al.; Spontaneous reports of vaccination errors in the 
European regulatory database EudraVigilance: A descriptive study. 
Vaccine 2018; 36 (52): 7956–7964