AMK / Zu Beginn des Jahres 2021 zeigt sich das Infektionsgeschehen zu
SARS-CoV-2 in Deutschland weiter dynamisch mit einer hohen Zahl von
täglichen Neuinfektionen. Da ältere Menschen häufiger von schweren
COVID-19-Krankheitsverläufen betroffen sind, steigt auch die Anzahl an
schweren Fällen, inklusive Todesfällen, an. Eine Metaanalyse legt einen
exponentiellen Zusammenhang zwischen Alter und Todesrate nahe (1).
Ziel muss es daher sein, schwere insbesondere letale
Erkrankungsverläufe zu verhindern. Entscheidend dafür sind
infektionseindämmende Maßnahmen. Neben der Einhaltung von Abstands- und
Hygieneregeln und einer zielgerichteten, anlassbezogenen Teststrategie,
kommt den COVID-19-Impfstoffen eine besondere Bedeutung zu, da durch
deren Anwendung eine Immunität gegenüber SARS-CoV-2 in der Bevölkerung
erwirkt werden könnte.
Unter den in beispielsloser Anzahl und
Geschwindigkeit entwickelten Kandidaten finden sich neuartige
nukleinsäurebasierte Impfstoffe. Bereits Ende 2020 wurde mit Comirnaty®
(▼, BNT162b2) die erste bedingte Zulassung in der EU für einen
mRNA-Impfstoff erteilt (2). Am 6. Januar 2021 folgte der Impfstoff der
Firma Moderna; weitere Zulassungen werden erwartet (3, 4).
Für
eine hohe Akzeptanz der COVID-19-Impfung sind Transparenz und
Aufrichtigkeit, vor allem in der Kommunikation von Unsicherheiten,
entscheidend (5). Die Impfmüdigkeit zählt u. a. nach Auffassung der WHO
zu einer der größten globalen gesundheitlichen Risiken (6).
ApothekerInnen sind daher aufgerufen, Falschnachrichten in Verbindung
mit Impfstoffen zu erkennen und einzudämmen, um eine bestmögliche
Impfquote zu erzielen.
Demgegenüber gilt es, vor dem Hintergrund
des weltweiten Bedarfs, die zunächst begrenzten Impfstoffe prioritär
den Menschen anzubieten, die das höchste Risiko für schwere und fatale
Verläufe haben. Hierfür hat die STIKO Empfehlungen erarbeitet (7). Auch
in diesem Fall stehen ApothekerInnen vor der Herausforderung Menschen
und Patienten mit einem individuell dringend empfundenen Impfbedürfnis
den Sachverhalt angemessen zu erläutern.
Im Zuge des
Impfgeschehens kommt ApothekerInnen insgesamt eine Schlüsselrolle in der
Beratung der Bevölkerung zu. So sollte z. B. auch nach erfolgter
Impfung mit beiden Dosen und angenommener Immunisierung an bestehenden
Abstands- und Hygieneregeln festgehalten werden. Auch ist auf die
unbedingt notwendige zweite Impfung hinzuweisen und eine gegebenenfalls
überzogene Erwartungshaltung bezüglich der Wirksamkeit des Impfstoffs zu
korrigieren.
Der Entscheidung einer bedingten Zulassung
folgend, bedarf es jederzeit der Verfügbarkeit der aktuellen
Informationen zur Qualität, Wirksamkeit und Sicherheit der
bereitgestellten Impfstoffe, um letztlich deren sichere Lagerung,
Zubereitung und Anwendung gewährleisten zu können. Aber auch derzeit
noch fehlende Daten zur Langzeitsicherheit und –wirksamkeit müssen durch
stringente Fortführung von Studien nach der Zulassung sowie die
Arzneimittelüberwachung nach dem Inverkehrbringen transparent gemacht
und schnellstmöglich sowie fortlaufend kommuniziert werden (8).
Ein hierbei unverzichtbares Instrument ist das europäische
Pharmakovigilanz-System, in dem nationale Arzneimittelbehörden
international vernetzt sind und durch das Verdachtsfälle von
Impfstoffrisiken gesammelt und bewertet bzw. notwendige Maßnahmen zur
Risikoabwehr kommuniziert werden.
Eine vertrauensbildende
Maßnahme stellt auch eine erhöhte Aufmerksamkeit von ApothekerInnen
bezüglich der Risiken von Impfungen nach der Zulassung dar. Bei weniger
als einem von 1000 Geimpften kann es zu bislang noch unbekannten
Nebenwirkungen kommen, die jedoch aufgrund der enormen
Impfstoff-Exposition, ein hohes numerisches Meldeaufkommen bedingen
können. Stufenplanbeteiligte Institutionen, wie die AMK, bereiten sich
daher auf vermehrte Berichte zu COVID-19-Impfstoffen vor, um
Risikoinformationen schnell mit dem PEI austauschen zu können.
Das Vertrauensverhältnis zwischen ApothekerInnen und Patient ist die
Basis für eine Spontanmeldung zu einem vermuteten Risiko. Die AMK gibt
diesbezüglich folgende Empfehlungen (9):
- Befragen Sie Patienten aktiv nach unerwünschten Ereignissen im zeitlichen Zusammenhang mit der Impfung.
- Im Vordergrund sollten Beobachtungen stehen, die nach Stand der Fachinformation unbekannt oder schwerwiegend sind.
- Wird
eine über das übliche Maß hinausgehende Impfreaktion beobachtet, sollte
der konkrete zeitliche Zusammenhang ermittelt und auf dem bekannten
UAW-Bogen dokumentiert werden.
- Achten Sie auf eine korrekte Impfstoff- und Chargenbezeichnung gemäß den Angaben im Impfpass.
- Alternative Ursachen für die beobachtete Nebenwirkung sollten hinterfragt und bewertet werden.
- Für eventuelle Rückfragen beim Patienten sollten stets dessen Kontaktinformationen intern dokumentiert werden.
Ihre Vermutung zur Ursache sollten Sie explizit nennen und möglichst
erläutern, da unerwünschte Ereignisse nach einer Impfung durch den
Impfstoff selbst, einen Qualitätsmangel, einen Medikationsfehler,
emotionale Reaktionen nach Impfung (z. B. durch Impfangst) oder durch
ein zufällig gleichzeitig auftretendes (koinzidentes) unerwünschtes
Ereignis verursacht sein können (10).
Eine besondere
Herausforderung stellt das Erkennen von verzögert auftretenden
Ereignissen dar. Hier gilt, dass trotz Unsicherheiten bezüglich des
ursächlichen Zusammenhangs eine Meldung erfolgen sollte.
Um u.
a. Mehrfachbearbeitungen und Duplikate zu vermeiden, bittet die AMK
darum, Berichte über COVID-19-Impfstoffrisiken nicht an mehrere
Empfänger parallel zu übermitteln.
Die AMK dankt Ihnen für die Berücksichtigung dieser Hinweise. /
Quellen
1) Lewin, A.T. et al.; Assessing the Age Specificity of Infection
Fatality Rates for COVID-19: Systematic Review, Meta-Analysis, and
Public Policy Implications. Eur J Epidemiol. 2020 Dec 8; 1-16.
2)
EMA/CHMP; EMA recommends first COVID-19 vaccine for authorisation in the
EU; www.ema.europa.eu -> news & events (21. Dezember 2020)
3) WHO; Draft Landscape of COVID-19 candidate vaccines, WHO
International, Stand 16. Dezember 2020 www.who.int -> Publications
-> Overview -> Draft Landscape of COVID-19 candidate vaccines
(18.Dezember 2020)
4) EMA/CHMP; EMA recommends COVID-19 Vaccine
Moderna for authorisation in the EU; www.ema.europa.eu -> news &
events (6. Januar 2021)
5) EMA; Transparency: exceptional measures
for COVID-19 medicines. www.ema.europa.eu -> human regulatory ->
overview -> public-health-threats -> coronavirus-disease-covid-19
-> treatments-vaccines
6) WHO; Vaccine hesitancy. Home ->
Newsroom -> Spotlight -> Ten threats to global health in 2019
(Zugriff am 16.12.2020)
7) Vygen-Bonnet S., et al.; Beschluss und
Wissenschaftliche Begründung der Ständigen Impfkommission (STIKO) für
die COVID-19-Impfempfehlung. Epid Bull. 2021; 2:3 -63.
8) BMG;
Nationale Impfstrategie COVID-19. Strategie zur Einführung und
Evaluierungeiner Impfung gegen Sars-CoV-2in Deutschland. 2020
www.bundesgesundheitsministerium.de -> Coronavirus (Zugriff am
21.Dezember 2020)
9) Shakir S. et al.; How to Investigate a Serious
Adverse Event Reported During a Clinical Trial for COVID-19-Vaccine.
Drug Saf. 2020 Nov 21;1-5.
10) WHO; Causality assessment of an
adverse event following immunization (AEFI): user manual for the revised
WHO classification second edition, 2019 update. Geneva: CC BY-NC-SA 3.0
IGO.