AMK / Der in apothekenpflichtigen Mono- und Kombipräparaten
enthaltene Wirkstoff Dextromethorphan (DXM) wurde in den letzten sechs
Jahren am häufigsten mit dem Verdacht auf Missbrauch an die AMK
gemeldet. Bezogen auf den genannten Zeitraum stellen sogar ein Drittel
aller Meldungen zu DXM Missbrauchsverdachtsfälle dar. Diese stammen
überwiegend aus dem süddeutschen Raum. Vor allem männliche Personen -
soweit bekannt ein Drittel unter 18 Jahren jung - verlangten nach
Angaben der meldenden Apotheke in auffälliger Weise nach dem
zentralwirksamen Antitussivum:
- ein Reizhusten scheint nicht gegeben zu sein,
- wiederholter Bedarf, in immer kürzeren Zeitabständen,
- der Kauf mehrerer Packungen wird auf eine Gruppe verteilt,
- der Notdienst der Apotheke wird zum Erwerb der Packungen genutzt,
- zur
Begründung der Menge werden Besorgungen für Freunde vorgegeben,
Alternativpräparate oder Beratungsangebote abgelehnt oder gleichzeitig
mehrere Packungen gefordert,
- DXM wird zusammen mit anderen
Arzneimitteln gewünscht (z. B. Diphenhydramin), die ebenfalls
missbräuchlich verwendet werden können,
- in Einzelfällen wirken Betroffene zum Teil apathisch, verlangsamt, verwirrt oder zittrig.
Unter
allen vermarkteten DXM-haltigen Arzneimitteln werden von Apotheken
nahezu ausschließlich Kapseln-enthaltende Monopräparate mit
Missbrauchsverdacht der AMK gemeldet. Dubiose Anleitungen im Internet
empfehlen vornehmlich Kapseln, da sich diese einfach zum Bau einer
„DXM-Bombe“ öffnen lassen, die den Inhalt von bis zu 14 Stück enthalten
kann. In der Literatur lassen sich auch Fallberichte mit
Einmaldosierungen von mehr als 1000 mg DXM finden.
Darüber
hinaus weisen zirka 20 Prozent der Missbrauchsverdachtsfälle auf eine
Kombination mit Diphenhydramin-haltigen OTC-Arzneimitteln hin. Derzeit
ist aus Sicht der AMK noch unklar, ob diese gezielt eingesetzt werden,
um z. B. (additive) zentralnervöse Effekte zu erzielen, den DXM-Abbau zu
verlangsamen oder potentielle Nebenwirkungen, wie Übelkeit und
Erbrechen, zu vermindern.
DXM hemmt NMDA- und stimuliert
Sigma-1- und 5-HT-Rezeptoren, wird rasch resorbiert und unterliegt einem
schnellen, umfangreichen, hepatischen Stoffwechsel über CYP2D6. Bereits
nach ca. 15 min kann die Wirkung einsetzen. Durch die Hemmung von
NMDA-Rezeptoren wird derzeit das Abhängigkeitspotential von DXM
begründet. Bei Überdosierungen besteht ein erhöhtes Risiko für Übelkeit
und Erbrechen, Unruhe, Verwirrtheit, Bewusstseinsstörungen, Herzrasen,
QTc-Verlängerung, Psychosen mit visuellen Halluzinationen und
Übererregbarkeit. Im Falle einer massiven Überdosierung sind Krämpfe,
Atemdepression, und Koma beschrieben.
Aufgrund des
CYP2D6-Polymorphismus ist die DXM-Exposition interindividuell sehr
verschieden und damit das Risiko für Nebenwirkungen schwer vorhersehbar.
Etwa 10 Prozent der Allgemeinbevölkerung sind langsame
CYP2D6-Metabolisierer, bei denen vergleichsweise niedrige Dosen bereits
zu Hospitalisierungen führen können.
Ein Teil der Nebenwirkungen
kann über den Serotonin-Agonismus von DXM erklärt werden, der
insbesondere bei höheren Dosen oder bei zusätzlicher Einnahme von
serotonergen Wirkstoffen sowie CYP2D6-Inhibitoren das Risiko für das
lebensbedrohliche Serotonin-Syndrom begründet (1,2).
In der
Vergangenheit wurden bereits verschiedene Maßnahmen zur Risikoreduktion
ergriffen. So wurde die Packungsgröße der Kapsel-Monopräpate reduziert
und zuletzt Mitte 2017 die Fach- und Gebrauchsinformationen um
entsprechende Hinweise zu Missbrauch und Metabolismus aktualisiert.
Aktuell werden erneut die Produktinformationen aufgrund des Risikos der
Serotonin-Toxizität angepasst (3).
Die AMK bittet das
pharmazeutische Personal daher weiterhin um besondere Aufmerksamkeit bei
der Abgabe von DXM-haltigen Arzneimitteln, insbesondere bei
Kapsel-Monopräparate und erneuert die Empfehlung DXM möglichst nicht an
Jugendliche abzugeben (4). Auch die Abgabe an junge Erwachsene ist
kritisch zu hinterfragen.
Weiterhin sind folgende Maßnahmen sinnvoll, einem potentiellen DXM-Missbrauch entgegenzuwirken:
- Erfragen
Sie zunächst konkrete Informationen über die Anwendung und Absichten im
vertraulichen und verständnisvollen Gespräch und beraten Sie
eindringlich über die potentiellen Risiken (5).
- Sehen Sie von
der gleichzeitigen Abgabe weiterer OTC-Präparate ab, die ihrerseits
(additive) zentralnervöse Effekte verursachen oder mit der
Pharmakokinetik von DXM interagieren können.
- Bei Ablehnung von Beratungsangeboten kann die Abgabe in letzter Konsequenz verweigert werden.
Bitte melden Sie alle Verdachtsfälle zu Arzneimittelmissbrauch bei DXM-haltigen Arzneimitteln mittels UAW-Bogen der AMK. /
Quellen
1) Sanofi-Aventis Deutschland GmbH. Silomat® DMP, Gebrauchsinformation, Stand Juni 2017
2) Monte A. et al. Dextromethorphan, chlorphenamine and serotonin
toxicity: case report and systematic literature review. Br. J. Clin.
Pharmacol. 2010; 70 (6): 794-798
3) BfArM nachrichtlich an Stufenplanbeteiligte; PSUSA/00001009/201811, Bescheid vom 26. September 2019
4) AMK. Missbrauch von Dextromethorphan. Pharm. Ztg. 2010; 155 (16): 87
5) Bundesapothekerkammer (BAK). Arzneimittelmissbrauch. Leitfaden für
die apothekerliche Praxis. Berlin, März 2018.
www.abda.de/fileadmin/user_upload/assets/Arzneimittelmissbrauch/BAK_Leitfaden_Arzneimittelmissbrauch.pdf