AMK / In der Europäischen Union ist es ein politisches Ziel, die 
Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) zu verbessern. In diesem 
Zusammenhang ist es bedeutsam, dass mit der 
EU-Pharmakovigilanzrichtlinie von 2012 die Definition für Nebenwirkungen
 im Arzneimittelgesetz (AMG) erweitert wurde: Während bisher nur 
unbeabsichtigte und schädliche Reaktionen auf Arzneimittel bei 
bestimmungsgemäßem Gebrauch als Nebenwirkung galten, umfasst die neue 
Definition jede Reaktion auf ein Humanarzneimittel, die unbeabsichtigt 
und schädlich ist, also unter anderem auch solche, die wegen eines 
Medikationsfehlers auftreten. Pharmazeutische Unternehmer sind daher nun
 verpflichtet, auch alle Medikationsfehler, die mit vermuteten 
Nebenwirkungen assoziiert sind, unabhängig vom Schweregrad, den 
zuständigen Behörden zu melden (1).
 
Eine EU-weit einheitliche, akzeptierte Definition für den 
Medikationsfehler gibt es aber bisher nicht. Als Arbeitshilfe schlägt 
die EMA im »Good practice guide on recording, coding, reporting and 
assessment of medication errors« vor: »A medication error is an 
unintended failure in the drug treatment process that leads to, or has 
the potential to lead to, harm the patient« (1). Ein Medikationsfehler 
sei also ein unbeabsichtigter Fehler im Medikationsprozess, der zu einer
 vermeidbaren Schädigung des Patienten geführt hat oder führen könnte. 
Definitionen häufig verwendeter Begriffe in der Pharmakovigilanz, 
darunter der Medikationsfehler, wurden auch in einer Publikation der 
Koordinierungsgruppe AMTS vorgestellt (2). In dieser Veröffentlichung 
finden sich auch Beispiele zur Abgrenzung von Medikationsfehlern von 
anders einzustufenden Konstellationen.
 
Medikationsfehler können jeden Schritt des Medikationsprozesses 
betreffen und allen am Medikationsprozess Beteiligten unterlaufen: 
Ärzten, Pflegepersonal, Patienten, Angehörigen und auch dem 
pharmazeutischen Personal in Apotheken. Vermeidbarkeit und 
Unabsichtlichkeit sind die beiden wichtigsten Merkmale für einen 
Medikationsfehler. Die Erfassung und Analyse aufgetretener und auch 
Beinahe-Fehler bilden die Grundlage für die Entwicklung von Strategien 
zur Fehler- und Schadensvermeidung und für einen systematischen Ansatz 
zur Verbesserung der AMTS.
 
Der klassische Medikationsfehler in der Apotheke ist – obwohl selten –
 die Abgabe eines falschen Arzneimittels. Eine Auswahl von 
Medikationsfehlern, an denen die Apotheke zumindest beteiligt sein kann,
 ist in der Tabelle angeführt. Jede Apotheke sollte selbst prüfen, 
welche Ursachen bei ihr zu Medikationsfehlern führten und wie sie diese 
mittels Fehlerbarrieren, wie Checklisten und Aufgabenteilungen, 
reduzieren kann. Das QMS in Apotheken sollte bereits solche Prüfungen 
und abgeleitete Maßnahmen zur Fehlervermeidung enthalten. Fehler 
resultieren häufig aus fehleranfälligen Prozessen; daher ist es für die 
künftige Fehlervermeidung im Sinne einer produktiven Fehlerkultur 
entscheidend, die Fehler zu analysieren und die Ursachen zu beseitigen 
anstatt einzelne Mitarbeiter zu beschuldigen. Für eine positive 
Fehlerkultur ist es unerlässlich, das System mit allen Prozessschritten 
in den Mittelpunkt der Betrachtungen zu stellen.
 
Aber nicht jede Fehlerursache kann die Apotheke selbst beseitigen: 
wenn Maßnahmen sinnvoll sind, die nur der Pharmazeutische Unternehmer 
oder die zuständige Behörde veranlassen können, meldet die Apotheke den 
Medikationsfehler, der eine unerwünschte Wirkung verursacht hat, der AMK
 auf dem UAW-Berichtsbogen. Die AMK prüft derzeit, ob die aktuellen 
Berichtsbögen für die Meldung von (potentiellen) Medikationsfehlern 
anzupassen sind beziehungsweise ein neuer Berichtsbogen zu entwickeln 
ist. Meldungen zu Medikationsfehlern werden bei der AMK aufbereitet und 
an die Bundesoberbehörden (BfArM oder PEI) weitergeleitet 
beziehungsweise (zum Beispiel bei Verwechselungsgefahr durch 
Produktverpackungen) dem Pharmazeutischen Unternehmer mitgeteilt.
 
Projekte
Das Bundesministerium für Gesundheit 
fördert seit 2015 zwei Forschungsprojekte zum Thema Medikationsfehler, 
die als Maßnahmen im Aktionsplan AMTS 2013-2015 vorgesehen waren.
Das
 BfArM untersucht in der ADRED-Studie an drei zentralen Notaufnahmen von
 Kliniken der Maximalversorgung den Anteil von Medikationsfehlern an 
arzneimittelassoziierten Krankenhausnotaufnahmen sowie die Fehlerarten 
und -ursachen über die Dauer von jeweils einem Jahr. Zu Ausmaß und 
Frequenz von Medikationsfehlern im klinischen Alltag in Deutschland 
sollen belastbare Daten ermittelt werden (2).
Bei der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) 
läuft seit Januar 2015 ein auf zwei Jahre angelegtes Projekt zur 
Erfassung und Bewertung von Medikationsfehlern im ärztlichen 
Arbeitsbereich innerhalb des Spontanberichtssystems für UAW 
(www.akdae.de Y Arzneimittelsicherheit Y Medikationsfehler). Ziel ist es
 zu klären, wie innerhalb der bestehenden Strukturen Medikationsfehler 
systematisch erfasst und analysiert werden können und ob daraus 
Strategien zur künftigen Vermeidung abgeleitet werden können (3).
Die AMK steht in engem Kontakt mit den Projektverantwortlichen 
der AkdÄ sowie mit der Arbeitsgruppe AMTS im BfArM, die sich aus 
behördlicher Sicht mit dem Themenkomplex Medikationsfehler befasst. 
Anhand von fast 700 Meldungen zu Medikationsfehlern in den Jahren 2013 
bis Ende 2015 an die AMK konnten wichtige Erfahrungen aus der 
Apothekerschaft gesammelt und die Sicherheit von Patienten verbessert 
werden. Daher bittet die AMK darum, in der Apotheke festgestellte 
Medikationsfehler im Sinne einer positiven Fehlerkultur systematisch zu 
dokumentieren und zu bewerten. Die AMK nimmt Meldungen aus den Apotheken
 gern entgegen, um die AMTS im Rahmen des Spontanerfassungssystems mit 
Behörden und pharmazeutischen Unternehmen weiter zu entwickeln, wenn 
diese eine unerwünschte Arzneimittelwirkung verursacht haben oder eine 
institutionsübergreifende Bedeutung haben könnten. /
Tabelle: Ausgewählte Beispiele für Medikationsfehler, die in Apotheken vorkommen können
| Prozessschritt  | Mögliche Medikationsfehler  | Mögliche Ursachen  | 
| Lagerung  | Lagerung bei falscher Temperatur  | Lagerungshinweise nicht überprüft  | 
Bestellung/Abgabe/ Arzneimittel- substitution  | Falsches Arzneimittel  (Stärke, Arzneiform)  | Fehlinterpretation,
 Übermittlungsfehler, »look alike«, »sound alike«, handschriftliche 
Rezepte, missverständliche Abkürzungen/Einheiten  | 
| Selbstmedikation  | Ungeeignetes OTC-Arzneimittel(zum Beispiel falsche Stärke, Kontraindikationen, Interaktionen)  | Kommunikationsprobleme  | 
Herstellung/ Zubereitung  | falsche Dosierungen/ Konzentrationen, mikrobielle Kontamination, Falschdeklaration  | falsche Wägung, unsteriles Arbeiten, häufige Unterbrechungen (Multitasking)  | 
| Beratung  | fehler- oder lückenhafte Beratung, zum Beispiel zu Anwendung von Inhalatoren, Dosierungen, Wechselwirkungen  | Kommunikationsprobleme  | 
Quellen
- EMA; Good practice guide on recording, coding, reporting and assessment of medication errors. www.ema.europa.eu  --> Human Regulatory --> Pharmacovigilance --> Medication Errors (Oktober 2015)
 - Aly, A.-F.; Definitionen zu Pharmakovigilanz und AMTS. PZ 2014, (159) 44: 44-47
 - Kaumanns, K. et al.: Medikationsfehler im Fokus der Forschung und Pharmakovigilanz. Bulletin zur Arzneimittelsicherheit 2/2015, 27-35 (www.bfarm.de --> Service --> Bulletin zur Arzneimittelsicherheit)