AMK / Der CHMP hat eine abschließende Bewertung des Risikos der
progressiven multifokalen Leukenzephalopathie (PML) unter Behandlung mit
dem monoklonalen Immunglobulin G4-Antikörper Natalizumab (Tysabri®)
bekannt gegeben und folgte in dieser den kürzlich vom PRAC
veröffentlichten Empfehlungen zur Verbesserung der Früherkennung einer
PML bei Multiple Sklerose-Patienten (1, 2).
Die PML ist eine seltene, demyelisierende Erkrankung des Gehirns, die
durch eine Reaktivierung des John-Cunningham-Virus (JCV) bei
immungeschwächten Patienten hervorgerufen wird. Eine PML ist eine
Erkrankung, die zu sehr schweren Behinderungen führen oder tödlich
verlaufen kann. Eine wirksame Therapie der PML existiert derzeit nicht.
Neuere Untersuchungen weisen darauf hin, dass die Früherkennung und eine
frühzeitige Behandlung der PML noch in einem Stadium, in dem die
Erkrankung asymptomatisch ist, sehr wichtig sind, um das Ausmaß der
Hirnschädigung und damit einhergehende Einschränkungen möglichst gering
zu halten. Asymptomatische PML-Fälle können mittels
Magnetresonanztomographie (MRT) diagnostiziert werden. Für das Auftreten
einer PML bei Patienten, die mit Natalizumab behandelt werden, sind
nach Auswertung neuer Studien folgende Risiken bekannt:
- vorhandene Antikörper gegen das JCV,
- länger als zweijährige Behandlung mit Natalizumab, und
- die Gabe von Immunsuppressiva vor Behandlungsbeginn mit Natalizumab oder
- bei nicht mit Immunsuppressiva vorbehandelten Patienten erhöhte JCV-Antikörper-Spiegel.
Der PRAC schlussfolgerte neu aus den klinischen Studiendaten, dass
das Risiko für eine PML bei Patienten mit JCV-Antikörper-Index-Werten
von 0,9 oder weniger geringer ist als bisher angenommen. Das Risiko
steigt jedoch signifikant bei Patienten mit Werten oberhalb 1,5 an, die
seit mehr als zwei Jahren mit Natalizumab behandelt werden (1).
Die CHMP-Stellungnahme sieht nun vor, in die Produktinformationen
neue Informationen für eine Risikostratifikation und folgende
Sicherheitshinweise zur Minimierung des Risikos einer PML bei Patienten,
die mit Natalizumab behandelt werden, aufzunehmen:
- Patienten sollen vor der Behandlung mit Natalizumab auf
das Risiko für das Auftreten von PML informiert werden. Sie sollen auf
neurologische Symptome, wie zunehmende Schwäche, Sprach-,
Kommunikations- und Sehstörungen, Stimmungs- und Verhaltungsänderungen
sowie neue oder ungewöhnliche Symptome achten, die während der
Behandlung und sechs Monate nach Beendigung der Behandlung mit
Natalizumab auftreten können.
- Vor der Therapie sind eine MRT-
Untersuchung und ein JCV-Antikörper-Test zur Ermittlung von
Referenzwerten am Behandlungsbeginn durchzuführen.
- Behandelte
Patienten ohne bekannt erhöhtem PML-Risiko sollen in regelmäßigen
Abständen auf Anzeichen neu auftretender neurologischer Symptome und
einmal jährlich mittels MRT untersucht werden.
- Patienten mit
erhöhtem PML-Risiko sollen mittels MRT in kürzeren Abständen (alle drei
bis sechs Monate) überwacht werden, um asymptomatische PML-Fälle
möglichst früh zu identifizieren.
- Sollte zu irgendeinem
Zeitpunkt eine PML vermutet werden, muss die Therapie mit Natalizumab
unterbrochen werden, bis der Verdacht differentialdiagnostisch
(erweitertes MRT, ultrasensitive JCV-DNA-Bestimmungen) ausgeschlossen
werden kann, andernfalls muss die Behandlung ganz abgebrochen werden.
- Bei
Patienten, die negativ auf JCV-Antikörper getestet wurden, soll dieser
Test im Abstand von sechs Monaten wiederholt werden. Ebenso soll bei
Patienten mit niedrigen Antikörper-Index-Werten und ohne Vorbehandlung
mit Immunsuppressiva eine Wiederholung des Tests im Abstand von sechs
Monaten erfolgen, sofern die Patienten mit Natalizumab länger als zwei
Jahre behandelt werden.
- Nach einer zweijährigen Behandlung mit Natalizumab sollen Patienten erneut über das PML-Risiko informiert werden.
- •Bei
Patienten mit einem hohen PML-Risiko sollte die Behandlung mit
Natalizumab nur fortgesetzt werden, wenn der Nutzen das Risiko
überwiegt.
Diese CHMP-Empfehlungen wurden der EU-Kommission übermittelt, die
über einen bindenden Beschluss für die Mitgliedsstaaten entscheidet. Das
PEI wird diesen EU-Kommissionsbeschluss nachfolgend umsetzen. /
Quellen- EMA;
Updated recommendations to minimise the risk of the rare brain
infection PML with Tysabri®. www.ema.europa.eu Y EMA/85655/2016 (12.
Februar 2016)
- EMA; EMA
confirms recommendations to minimise risk of brain infection PML with
Tysabri®–More frequent MRI scans should be considered for patients at
higher risk. www.ema.europa.eu Y EMA/137488/2016 (26. Februar 2016)