AMK / Die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ)
berichtet über eine 39-jährige Patientin, die unter dem atypischen
Antipsychotikum Quetiapin (zum Beispiel Seroquel®), 800 mg pro Tag über
vier Monate, eine schwere Kardiomyopathie entwickelte. Die Patientin war
zuvor physisch gesund gewesen; andere potentiell kardiotoxische Noxen
sind nicht dokumentiert. Unter Behandlung mit Quetiapin verspürte die
Patientin über mehrere Wochen zunehmende Luftnot. Die Symptomatik
mündete in einen manifesten kardiogenen Schock. Nachdem andere mögliche
Ursachen ausgeschlossen werden konnten, ergab sich der Verdacht auf eine
durch Quetiapin induzierte Kardiomyopathie und die antipsychotische
Medikation wurde auf Aripiprazol umgestellt. Neben einer medikamentösen
Behandlung der Herzinsuffizienz wurde der Patientin eine Restriktion der
Trinkmenge und körperliche Schonung verordnet. Darunter kam es zu einer
Besserung des Befundes; über sechs Monate konnte die
Herzinsuffizienzmedikation ausgeschlichen werden.
Kardiomyopathien sind eine heterogene Gruppe von Krankheiten des
Herzmuskels mit Funktionsstörungen des Herzens; eine Dilatation und/oder
Hypertrophie der Herzkammern kann auftreten. Die Ursachen sind
vielfältig und häufig genetisch. Medikamenteninduzierte Kardiomyopathien
sind vor allem bei Chemotherapeutika bekannt (Anthrazykline,
Cyclophosphamid, 5-Fluorouracil, Paclitaxel, Trastuzumab, verschiedene
Proteinkinase-Inhibitoren). Bei den Antipsychotika kommen kardiotoxische
Reaktionen zum Beispiel unter Clozapin vor, das mit Quetiapin
strukturell verwandt ist. Unter Clozapin wird die Inzidenz einer früh
auftretenden Myokarditis mit < 0,1 bis 1,0 Prozent angegeben, während
später auftretende Kardiomyopathien etwa zehnmal seltener auftreten
sollen.
In der Fachinformation Quetiapin-haltiger Arzneimittel wird unter
»Besondere Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen für die Anwendung« auf
Berichte über Kardiomyopathien und Myokarditiden hingewiesen; ein
kausaler Zusammenhang mit Quetiapin sei aber nicht belegt. Einzelne
Fallberichte von Kardiomyopathien im Zusammenhang mit Quetiapin sind
publiziert, darunter zwei mit tödlichem Ausgang. Die Patienten waren
zwischen 20 und 35 Jahre alt und nahmen zwischen 600 und 1000 mg
Quetiapin pro Tag ein. Zum Teil erhielten sie Dosierungen, die über der
empfohlenen Höchstdosis von 750 bis 800 mg lagen. Die kardialen
Nebenwirkungen traten zwischen vier Monaten und vier Jahren nach
Therapiebeginn auf.
In der Datenbank des deutschen Spontanmeldesystems sind außer dem
dargestellten Fall nur einzelne Verdachtsberichte erfasst; eine
Bewertung der Kausalität sei aber aufgrund unzureichender Informationen
nicht möglich. Quetiapin ist in Deutschland das mit Abstand am
häufigsten verordnete Antipsychotikum. Zieht man die breite Anwendung in
Betracht, ist anzunehmen, dass es sich um eine sehr seltene
unerwünschte Wirkung handelt.
Da eine Kardiomyopathie aber
schwerwiegend und auch tödlich verlaufen kann, sollte bei Symptomen
einer Herzinsuffizienz unter Behandlung mit Quetiapin, wie Luftnot,
eingeschränkter Belastbarkeit oder peripherer Ödeme, auch an eine
Quetiapin-induzierte Kardiomyopathie gedacht werden. Entsprechende
Verdachtsfälle sollten der AMK mitgeteilt werden (www.arzneimittelkommisssion.de). /
Quellen- AkdÄ:
Medikamentös-toxische Kardiomyopathie mit kardiogenem Schock unter
Quetiapin (»Aus der UAW-Datenbank«). Dtsch. Ärztebl. 113 (2016), A1667