AMK / Im Sommer 2016 verstarben innerhalb kurzer Zeit drei 
Krebspatienten eines Heilpraktikers in Nordrhein-Westfalen; alle drei 
hatten 3-Brompyruvat (3-BP) auf unbekannte Weise als Arzneimittel 
erhalten. Die Zubereitungen waren vom Heilpraktiker selbst hergestellt 
worden. Offenbar wurden im gleichen Zeitraum zwei weitere Patienten mit 
3-BP behandelt. Ein möglicher Zusammenhang der Todesfälle mit 3-BP wird 
noch immer staatsanwaltschaftlich untersucht; Medienberichten zufolge 
sollen Verunreinigungen von 3-BP nicht verantwortlich gewesen sein.
Zur
 Beurteilung von Rezepturarzneimitteln mit ungenügend untersuchten 
Stoffen sind Daten zum Stoff, besonders zu möglichen Risiken, zur 
Dosierung beziehungsweise Konzentration und die vorgesehene Indikation 
von Bedeutung:
- 3-BP ist ein Derivat der Brenztraubensäure (Anion: 
Pyruvat), die bei der Glykolyse und beim Fettabbau entsteht: Unter 
aeroben Bedingungen wird Pyruvat durch oxidative Decarboxylierung in 
Acetyl-Coenzym A umgewandelt, das anschließend über den Citratzyklus und
 die Atmungskette unter Energiegewinn zu Kohlendioxid und Wasser 
abgebaut wird; unter anaeroben Bedingungen wird sie zu Lactat 
verstoffwechselt.
 
 
- Das bromierte Derivat 3-BP hemmt die 
Hexokinase II, die den ersten Schritt der Glykolyse katalysiert, sowie 
weitere Enzyme der Glykolyse. Dadurch könnte es relativ selektiv die 
Energieproduktion von Krebszellen hemmen, denn diese bevorzugen als 
Energiequelle den raschen Abbau von Glucose ohne Sauerstoffzufuhr 
(Warburg-Effekt). In vitro und in Tierversuchen wurden daher die 
zytotoxischen Wirkungen von 3-BP untersucht. In verschiedenen 
Tiermodellen zeigte 3-BP deutliche tumorspezifische antitumorale 
Wirkungen – eine rasche Eradikation – »ohne toxische Effekte« (1, 2). 
Der Mechanismus dieser Wirkung in experimentellen Tumorstudien ist aber 
ungeklärt, da 3-BP außer der Hemmung der Glykolyse weitere Effekte 
zeigt. Auch über die Pharmakokinetik von 3-BP ist wenig bekannt. Ein 
Kommentar weist darauf hin, dass 3-BP rasch zu 3-Hydroxypyruvat zerfällt
 (3). Bei physiologischen Bedingungen (pH, Temperatur) hatte 3-BP, 
konzentrationsunabhängig, eine Halbwertszeit von etwa 77 Minuten.
 
Bisher hat keine (Bundesober-)Behörde 3-BP nach Paragraf 5 AMG als 
bedenklich eingestuft. Überdies existieren keine 3-BP-haltigen 
Fertigarzneimittel, bei denen die Zulassung widerrufen wurde oder ruht. 
2013 hat die US-amerikanische Zulassungsbehörde FDA der Firma 
PreScience Labs eine »Investigational New Drug Application« für 3-BP 
(»PSL-001«) zugestanden und damit die klinische Prüfung Phase I erlaubt –
 so eine Pressemitteilung dieser Firma. Sie habe Programme für die 
klinische Entwicklung von PSL-001 gegen Pankreas-, Brust-, Lungen- und 
Ovarialkrebs erstellt, die 2015 beginnen sollten, offenbar mit einer mit
 Cyclodextrin mikroverkapselten Formulierung von 3-BP. Seit 2015 gibt es
 allerdings keine neuen Informationen auf der Homepage (www.presciencelabs.com).
In zwei publizierten Fällen wurde 3-BP bei Patienten eingesetzt: 
Ein 28-jähriger Patient mit fortgeschrittenem metastasierenden Melanom 
erhielt intravenöse 3-BP-Infusionen (1-2,2 mg/kg) mit geringer 
Wirksamkeit (4). Ein weiterer Patient, ein 16-Jähriger mit einem 
fibrolammellären hepatozellulären Karzinom und ungünstiger Prognose, 
erhielt eine nicht näher angegebene, spezielle und patentierte 
Formulierung von 3-BP intraarteriell als Bolusgabe, gefolgt von einer 
kurzen Embolisation, so dass in kurzer Zeit hohe 3-BP-Konzentrationen 
auf den Tumor einwirkten. Er erhielt zunächst 250 mg, nach zwei Wochen 
128 mg und vier Wochen später eine weitere Dosis. Unerwünschte Wirkungen
 wurden nicht beobachtet. Die Autoren vermuten, dass die 3-BP-Therapie 
das Leben dieses Patienten verlängert und seine Lebensqualität 
verbessert hätten; allerdings starb er zwei Jahre später (5). Auf 
welcher Basis jeweils die Dosierungen von 3-BP ermittelt wurden, ist den
 Publikationen nicht zu entnehmen.
In der Zusammenschau ist festzuhalten: 3-BP wirkt möglicherweise 
zytotoxisch. Offenbar bedarf es einer speziellen Formulierung und 
Applikationsform. Potenziell wirksame Dosierungsbereiche und Toxizität 
sind nicht hinreichend bekannt. Daher erscheint nur die Anwendung als 
Heilversuch unter genau geprüften Umständen und unter Zustimmung einer 
Ethikkommission gerechtfertigt. Auf Rezepturen mit 3-BP trifft derzeit 
zu, was die AMK in den allgemeinen Empfehlungen ihrer Information zu 
»Bedenklichen Rezepturarzneimitteln« (6) als letzten Punkt anführt:
»Stoffe, gegen die Vorbehalte wegen unzureichender Daten 
bestehen, können in Rezepturarzneimitteln nur Mittel der ferneren Wahl 
sein. Die AMK rät von der Abgabe ohne ärztliche Verschreibung und von 
der defekturmäßigen Herstellung dringend ab.
Die Apotheke soll sich 
beim Arzt über die Hintergründe der Verordnung informieren und ihm ihre 
Vorbehalte, möglichst mit Literaturbelegen, erläutern. Apotheker und 
Arzt sollten anhand der Literaturdaten gemeinsam den zu erwartenden 
Nutzen und die möglichen Risiken für den individuellen Patienten 
bewerten; Therapiealternativen sollen erwogen werden. Bewertet einer der
 Beteiligten das Nutzen/Risiko-Verhältnis negativ, so soll die Rezeptur 
nicht angefertigt werden. Die Apotheke sollte die Ergebnisse der 
Nutzen/Risiko-Bewertung dokumentieren«. 
Darüber hinaus gilt: Wird in
 einer Apotheke eine Verschreibung für ein 3-BP-haltiges 
Rezepturarzneimittel vorgelegt, ist zunächst die pharmazeutische 
Qualität des Ausgangsstoffes und des Endproduktes sicherzustellen. Da 
dies hier voraussichtlich nicht entsprechend Paragraf 11 der ApBetrO 
möglich ist, müssen Apotheker und verschreibender Arzt Nutzen und 
Risiken auch im Hinblick auf die pharmazeutische Qualität und die 
vorgesehene Indikation gegeneinander abwägen (7). /
 Quellen
Quellen
- Ko,
 Y.H. et al., Glucose catabolism in the rabbit VX2 tumor model for liver
 cancer: characterization and targeting hexokinase. Cancer Lett. 2001 
(173) 83-91
- Shoshan, M.C., 3-bromopyruvate: Targets and outcomes. J. Bioenerg. Biomembr. 2012 (44) 7-15
- Glick,
 M. et al., The antitumor agent 3-bromopyruvate has a short half-life at
 physiological conditions. Biochem. Biophys. Res. Comun. 2014 (452) 
170-173
- El Sayed, S. M. 
et al.: Safety and outcome of treatment of metastatic melanoma using 
3-bromopyruvate: a concise literature review and case study. Chin. J. 
Cancer 2014 (33) 356-364
- Ko,
 Y.H. et al.: A translational study »case report« on the small molecule 
»energy blocker« 3-bromopyruvate (3BP) as a potent anticancer agent: 
from bench side to bedside. J. Bioenerg. Biomembr. 2012 (44) 163-170
- AMK: Bedenkliche Rezepturarzneimittel. Pharm. Ztg. 2015 (160) 115-119 (Korrektur in Pharm. Ztg. 2015 (160) 109)
- Ph. Eur. 9. Ausgabe, »Substanzen zur pharmazeutischen Verwendung« (9.0/2034), Seite 1299

