AMK / Die AMK erhält aktuell vermehrt Meldungen zu gedeckelten oder
aufgequollenen Retardtabletten bei mehreren Chargen von Tilidin Al comp.
(Tilidin, Naloxon), wenn diese einige Zeit außerhalb des Blisters, z.
B. in einer Dosette, gelagert wurden (Abbildung).
Apotheken berichteten weiterhin Nebenwirkungen bei Patienten, wie
Magen-Darm-Beschwerden oder Hinweise auf Minderwirkung, die im
Zusammenhang mit der Einnahme der gedeckelten oder gequollenen
Retardtabletten auftraten.
Das Kombinationspräparat (Tilidin,
Naloxon) wird zur Behandlung starker und sehr starker (chronischer)
Schmerzen angewendet. Die Retardierung gewährleistet ein verzögertes
Anfluten des Wirkstoffes sowie die Wirkstoffabgabe über einen längeren
Zeitraum.
Der AMK werden regelmäßig Meldungen aus Apotheken zu
gedeckelten oder gequollenen Tilidin-haltigen Retardtabletten
übermittelt. Im Jahresverlauf kann festgestellt werden, dass die
Berichte zumeist zwischen Juni und Oktober die AMK erreichten. In den
meisten Fällen konnte eine (mehrtägige) Lagerung der Tabletten außerhalb
des Blisters festgestellt werden.
Die AMK überblickt mit
insgesamt 41 Meldungen zu Tilidin Al comp. Retardtabletten allein für
August und September 2023 ein auffallend hohes Berichtsaufkommen zum
oben genannten Fehlerbild und möchte daher auf die konkreten
Lagerungshinweise laut aktueller Fach- und Gebrauchsinformation (Stand
Juli 2020) hinweisen. Die Retardtabletten sind feuchtigkeitsempfindlich
und sollten in der Originalverpackung vor Feuchtigkeit geschützt und
nicht über 30 °C gelagert werden (1).
Eine aktuelle Stellungnahme
der Firma, die der AMK vorliegt, bestätigt eine Häufung von
Reklamationen im genannten Zeitraum, wahrscheinlich bedingt durch die
heißen Temperaturen und hohe Luftfeuchtigkeit. Daher ließen sich die
erhaltenen Reklamationen auch nicht auf bestimmte Chargen oder Stärken
einschränken. Es wird empfohlen, die Retardtabletten im Blister zu
belassen, um einem Quellen vorzubeugen. Dafür seien die Alu-Alu-Blister
vorperforiert und könnten zur Bereitstellung bei Bedarf und unter
Aufrechterhaltung des Feuchtigkeitsschutzes vereinzelt werden (2).
Luftfeuchtigkeit
beeinträchtigt sukzessive den Filmüberzug der Retardtablette, zunächst
äußerlich nicht erkennbar bis hin zum offensichtlichen Aufquellen. Bei
Einnahme gedeckelter Tilidin-haltiger Retardtabletten kann es zu einer
unkontrollierten Freisetzung des Arzneistoffes kommen. Das Auftreten
gedeckelter oder aufgequollener Retardtabletten nach Lagerung außerhalb
der Primärverpackung (d.h. entgegen der Empfehlungen gemäß Fach- und
Gebrauchsinformation) stellt somit nicht notwendigerweise einen
Qualitätsmangel dar. Die AMK erkennt in den erhaltenen Meldungen zum
Sachverhalt vielmehr Medikationsfehler, die schwerwiegende – aber
vermeidbare – gesundheitliche Folgen für betroffene Patienten haben
können.
Die patientenindividuelle Bereitstellung von
Arzneimitteln (außerhalb der Primärverpackung) ist eine verbreitete
Praxis in der Versorgung, erfordert jedoch stets eine Prüfung der
produktspezifischen Plausibilität. Informationen zur Lagerung aus Fach-
und Gebrauchsinformation sind daher zu beachten. Jahreszeitlich
wechselnde Umwelteinflüsse wie Temperatur, Luftfeuchte und
Sonneneinstrahlung am Lagerort sollten mit einbezogen werden.
Um
einen sachgerechten Umgang mit Tilidin AL comp., insbesondere in der
(häuslichen) Umgebung der Patienten zu gewährleisten, spricht sich die
AMK dafür aus, neben den notwendigen Lagerungshinweisen in Fach- und
Gebrauchsinformationen, die Implementierung weiterer (Warn-)Hinweise,
wie:
- „Lagerungshinweise beachten“
- „Tabletten nicht
außerhalb des Blisters aufbewahren. Dies kann zu veränderter
Wirkstofffreisetzung mit gesundheitlichen Risiken für Patienten führen.“
auf Primär- und/oder Sekundärverpackung zu prüfen.
Die AMK bittet Apothekerinnen und Apotheker, Patienten sowie gegebenenfalls
an der Versorgung beteiligte Personen, wie z. B. Pflegepersonal,
angemessen zum sachgerechten Umgang mit Tilidin AL comp. Retardtabletten
hinzuweisen. Bei Auftreten gedeckelter oder aufgequollener
Retardtabletten sollte notwendigenfalls die korrekte Lagerung (vor Ort)
geprüft werden.
Tritt hingegen das Fehlerbild im (unversehrten)
Blister auf beziehungsweise brechen Tabletten bereits bei Entnahme aus
der Primärverpackung, ist die Meldung eines Verdachts auf einen
Qualitätsmangel an die AMK sachgerecht und bevorzugt online unter
www.arzneimittelkommission.de zu melden.
Die AMK-Geschäftsstelle dankt allen Apothekerinnen und Apothekern für Ihren Einsatz, die Patientensicherheit zu verbessern. /
Quellen
1) Aliud Pharma® GmbH, Fachinformation Tilidin AL comp. Retardtabletten, Stand: Juli 2020
2) Aliud Pharma® GmbH an AMK (Korrespondenz) (7. September 2023)