In dieser Rubrik finden Sie nicht nur neue Arzneimittel aufgelistet, sondern auch die aktuellen Nachrichten der Arzneimittelkommission (AMK), wie z. B. Rückrufe oder Rote-Hand-Briefe. Sie können außerdem in unserem Archiv gezielt nach früheren Informationen suchen.

Wichtige Arzneimittelinformationen

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KategorieProduktWirkstoffHerstellerPZNsDatum
Neue Arzneimittel
mit Abgabesituation
Vabysmo®FaricimabRoche17538376
17613669
01.10.2022
Neue Arzneimittel
mit Abgabesituation
Kerendia®FinerenonBayer16807354
16807360
16807437
16807377
16807383
16807408
16807414
16807420
01.10.2022
Neue Arzneimittel
mit Abgabesituation
Zokinvy®LonafarnibEigerbio Europe17852718
17852724
01.10.2022
Neue Arzneimittel
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Xenpozyme®Olipudase alfaSanofi Genzyme17890831
17890860
01.10.2022
Neue Arzneimittel
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Nexpovio®SelinexorStemline18093522
18093479
18093485
18093491
01.10.2022
Neue Arzneimittel
mit Abgabesituation
Amvuttra®VutrisiranAlnylam Pharmaceuticals1811100701.10.2022
HerstellerinformationMetalyse®TenecteplaseBoehringer Ingelheim Pharma30.09.2022
HerstellerinformationMetalyse®TenecteplaseBoehringer Ingelheim Pharma 30.09.2022
ChargenrückrufAlendronsäure-Colecalciferol Aristo 70 mg / 2800 I.E., 4 und 12 Tabletten, Alendronsäure-Colecalciferol Aristo 70 mg / 5600 I.E., 4 Alendronsäure-ColecalciferolAristo Pharma13716562
13716579
13716591
13716616
29.09.2022
ChargenrückrufSilodosin Zentiva 8 mg, 100 HartkapselnZentiva Pharma1601030228.09.2022
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KategorieTitelDatum
Information der Institutionen und BehördenVersorgungsmangel für MPA (Medroxyprogesteronacetat) 250 mg bzw. 500 mg Hexal® Tabletten festgestellt 31.08.2021
Information der Institutionen und BehördenAMK: Unangenehmer Geruch von Metoprololsuccinat AL 95 mg Retardtabletten: Risiko mangelnder Einnahmetreue 31.08.2021
Information der Institutionen und BehördenAMK in eigener Sache: Impfung gegen das SARS-CoV-2-Virus – unerwünschte Wirkungen melden! 17.08.2021
Information der Institutionen und BehördenListe ausgewählter AMK-Nachrichten 1. Halbjahr 2021 (PZ 1/2 bis 26) 05.08.2021
Information der Institutionen und BehördenAMK: Sachverständigenausschuss für Verschreibungspflicht 14.07.2021
Information der Institutionen und BehördenOnline-Nachricht: Die neue Ausgabe des „Bulletin zur Arzneimittelsicherheit“ ist da! 30.06.2021
Information der Institutionen und BehördenAMK: Atropin-haltige Ausgangsstoffe zur Herstellung homöopathischer Rezepturen: Risiko einer Intoxikation 24.06.2021
Information der Institutionen und BehördenOcaliva® Filmtabletten (▼, Obeticholsäure): Risiko einer Leberschädigung – Anwendung bei Patienten mit primärer biliärer Cholangitis und fortgeschrittener Zirrhose kontraindiziert 08.06.2021

Information der Institutionen und Behörden

AMK: Atropin-haltige Ausgangsstoffe zur Herstellung homöopathischer Rezepturen: Risiko einer Intoxikation

Datum:
24.06.2021

AMK / Eine Apotheke meldete bei drei Patienten Anzeichen und Symptome einer Atropin-Intoxikation nach der Einnahme einer homöopathischen Rezeptur.

So traten bei einem 56-jährigen Mann etwa 15 Minuten nach der einmaligen Einnahme von 30 Tropfen einer in der Apotheke hergestellten homöopathischen Lösung Geschmacks- und Sehstörungen sowie Benommenheit auf. Im Krankenhaus wurde er wegen erweiterter Pupillen des Drogenkonsums verdächtigt. Eine Blutanalyse ergab eine Konzentration von 18 ng Atropin/ml; der zeitliche Abstand zwischen der Einnahme und der Blutentnahme ist leider nicht bekannt. Der therapeutische Plasmakonzentrationsbereich von Atropin beträgt 2 bis 25 ng/ml (eine Konzentration von 20 bis 25 ng/ml wird nur nach wiederholter i.v.-Gabe von Atropin zur Behandlung einer Organophosphatintoxikation unter Beobachtung der klinischen Symptomatik erreicht) (1).

Bei einem 62-jährigen Patienten traten 10 bis 15 Minuten nach der einmaligen Einnahme von 30 Tropfen Unwohlsein und eine undeutliche Aussprache auf; er stürzte. Der von der Frau des Patienten verständigte Notarzt stellte erweiterte Pupillen fest und erkundigte sich nach einem Alkoholkonsum.

Später berichtete derselbe Apotheker über eine 76-jährige Patientin, die zweimal im Abstand von vier Tagen jeweils kurz nach der Einnahme von 30 Tropfen unter Schwindel und einem trockenen Mund litt und jeweils stationär behandelt werden musste. Nach der ersten Einnahme stellte der Notarzt zudem Bluthochdruck und Verwirrtheit fest.

Die oben berichteten Nebenwirkungen stehen im engen zeitlichen Zusammenhang mit der Einnahme einer individuell hergestellten, Atropin-haltigen, homöopathischen Mischung. Die Nebenwirkungen besserten sich jeweils 1-2 Tage nach Abbruch der Einnahme. In einem Fall wurden die Nebenwirkungen nach Reexposition erneut beobachtet. Eine vierte Patientin konnte vor der Einnahme der Rezeptur gewarnt werden.

Die homöopathischen Rezepturen stellte die Apotheke auf Verordnung einer Heilpraktikerin her. Hierzu verdünnte die Apotheke zunächst eine bestellte Atropinum sulfuricum D4-Dilution im Verhältnis 1:10 (M/M). Die verdünnte Lösung (D5-Dilution, „Spasmon“) wurde dann patientenindividuell mit drei anderen, gebrauchsfertigen Homöopathika gemischt, wobei der Anteil der D5-Dilution jeweils 50 % (M/M) betrug.
Aufgrund der Symptomatik hatte die Apotheke den Verdacht eines Qualitätsmangels der bestellten Atropin-haltigen D4-Dilution und nahm Kontakt mit der Firma auf. Diese argumentierte für die einwandfreie Qualität ihres Produktes.

Die „Spasmon“-Mischung und die drei eingenommenen Rezepturen konnten bezüglich des Atropinsulfat-Gehalts mit einer semiquantitativen HPLC-UV-MS-Methode vom Zentrallaboratorium Deutscher Apotheker (ZL e. V.) untersucht werden. Laut den ZL-Befunden enthielt die D5-Mischung einen Gehalt von 7,69 mg/g Atropinsulfat. Die Rezepturen wiesen erwartungsgemäß einen um ca. 50 % verminderten Gehalt gegenüber der „Spasmon“-Lösung auf: 3,52 – 4,07 mg/g. Insgesamt jedoch war der Atropin-Gehalt in allen untersuchten Lösungen um bis zu Faktor 800 zu hoch.

Die Bewertung der Herstellungsdokumentation der Apotheke in Zusammenschau mit den Laborbefunden durch die AMK ergab, dass die Herstellungsschritte der Apotheke nicht zu der festgestellten Gehaltsabweichung hätten beitragen können; zumal der letzte Schritt zur Herstellung der gebrauchsfertigen Lösung aufgrund der Analytik nachweislich korrekt war.

Nach Übermittlung der Argumentation der AMK wurde die Firma erneut aufgefordert, den Sachverhalt aufzuklären sowie korrektive und präventive Maßnahmen zu ergreifen. Nun wurde firmenseitig eine Verwechslung der D4-Dilution mit der Urtinktur nach einer Kontrolle der Lagerbestände an Urtinktur und Dilutionen festgestellt. Die Apotheke hatte somit anstelle der D4-Dilution die Urtinktur zur Herstellung der Rezepturen genutzt, ohne dies zu wissen, da die Flasche fehlerhaft deklariert war. Aufgrund der verwendeten Urtinktur müssten die gefundenen Gehalte rechnerisch sogar um den Faktor 1000 höher liegen. Die gefundenen Faktoren von bis zu 800 lassen sich aufgrund methodischer Unterschiede sowie dem Vorliegen komplexer Gemische erklären.

Zur Ermittlung der Einzeldosis bestimmte das ZL e. V. auf Bitte der AMK zudem das Gewicht der aus den sichergestellten Flaschen abgegebenen Tropfen: Die Patienten nahmen zwischen 2,7 und 4,6 mg Atropinsulfat pro Dosis ein. Auch aus pharmakologisch-toxikologischer Sicht waren nun die geschilderten Nebenwirkungen plausibel: Ab einer Dosis von 1 mg peroral verabreichtem Atropinsulfat können Durstgefühl, erhöhte Körpertemperatur, Herzfrequenzsteigerung nach initialer Bradykardie, milde Arrhythmieformen (Episoden von AV-Dissoziation, Knotenrhythmus), beginnende Dilatation der Pupillen, Verlust der Akkommodation, Lichtscheue und Zunahme des Augendruckes auftreten (2). Bei Anwendung höherer Dosen verstärken sich diese Effekte und es treten zentralnervöse Reaktionen wie Schwindel, Gangunsicherheit, Unruhe, Verwirrtheit und Erregung auf.

Bei der Herstellung von homöopathischen Atropinsulfat-Lösungen ist eine Gehaltsbestimmung laut Homöopathischem Arzneibuch nur für die Urtinktur bzw. D1-Dilution vorgesehen (3). Daher hat die Firma die D4-Dilution auch nicht bezüglich des Gehalts untersucht (4). Dieses Vorgehen ist in Anbetracht des hier genannten Risikos für Atropin-Intoxikationen aus Sicht der AMK abzulehnen. Dies gilt auch für andere potenziell toxische Urtinkturen.

ApothekerInnen, die Atropin-haltige Homöopathika beziehen und weiterverarbeiten, sollten sich im Sinne des vorbeugenden Patientenschutzes den Atropin-Gehalt von der Firma durch Analysezertifikate bestätigen lassen. Zwischenzeitlich erscheint es zudem ratsam, im Rahmen der Apothekenpraxis eine eigene Analytik zu etablieren. Hierzu hat das ZL e. V. eine Hilfestellung entwickelt.

Die AMK bittet um Meldung, wenn unter Einnahme von individuell hergestellten Homöopathika, die potenziell toxische Urtinkturen enthalten, Nebenwirkungen beobachtet werden. /

Quellen
1)    Schulz M. et al.; Revisited: Therapeutic and toxic blood concentrations of more than 1100 drugs and other xenobiotics. Crit Care 2020; 24: 195.
2)    Streuli Pharma AG; Fachinformation zu Bellafit® N, Stand: Februar 2010.
3)    HAB 2009, Monographie Atropinum sulfuricum
4)    Stellungnahme, Firma an AMK (E-Mail-Korrespondenz); AW: DE-AMK-[…]_ATROPINUM SULFURICUM D 4. (5. Februar 2021)