AMK / Die AMK erreichen vermehrt Spontanberichte aus Apotheken zu
unangenehmem Geruch von mehreren Chargen Metoprololsuccinat
Retardtabletten, insbesondere der 95-mg-Wirkstärke der Firma Aliud
Pharma.
Der selektive β-Adrenorezeptor-Antagonist (Betablocker)
ist u.a. zugelassen bei Hypertonie, Angina pectoris, tachykarden
Arrhythmien, Erhaltungstherapie nach Herzinfarkt, hyperkinetischem
Herzsyndrom sowie bei Herzinsuffizienz (1).
Während die AMK im
Zeitraum von 2013 bis 2020 lediglich eine Meldung zu auffälligem Geruch
bei dem genannten Präparat erhielt, stieg die Meldezahl seit Mai dieses
Jahres stark an. Bis Ende Juni 2021 erreichten die AMK insgesamt 18
Meldungen aus 17 Apotheken. 17 Meldungen betrafen die 95-mg-Stärke.
ApothekerInnen berichten über einen unangenehmen Geruch der
Retardtabletten, aber auch über damit im Zusammenhang beobachtete
Nebenwirkungen bei Patienten. Der Geruch trat stets direkt nach
Ausblistern einer Tablette auf. Die Tabletten rochen „chemisch, ranzig,
cannabis- oder knoblauchartig“ sowie unspezifisch „unangenehm“.
Nebenwirkungen umfassten u. a. Übelkeit, Schwindel, eigenmächtiges
Absetzen sowie erhöhten Blutdruck. Bis zum 30. August 2021 erhielt die
AMK weitere 36 Meldungen zum Sachverhalt. Die Bearbeitung dieser Fälle
ist noch nicht abgeschlossen.
Die Wahrnehmung des Geruchs ist
subjektiv und wird durch das Alter (z. B. bitter-süß-Wahrnehmung bei
Kindern), Erfahrungswerte sowie die genetische Disposition der
Geschmacksknospen beeinflusst. Arzneistoffe können den Geruchs- und
Geschmackssinn beeinflussen oder weisen selbst einen charakteristischen
Geruch auf (z. B. Biguanide oder viele Antibiotika) (2). Ein
unangenehmer Geruch oder Geschmack muss daher nicht zwingend auf einen
Qualitätsmangel eines Arzneimittels hinweisen. Jedoch fiel den Patienten
in den o. g. Fällen der Geruch im Vergleich zu vormals eingenommenen
Chargen auf; auch war nach Herstellerwechsel kein auffälliger Geruch
mehr vorhanden. Daher scheint ein herstellerseitiges Problem als Ursache
wahrscheinlich.
Im Auftrag der AMK untersuchte das
Zentrallaboratorium Deutscher Apotheker e. V. (ZL) im genannten Zeitraum
Muster aus drei der neun gemeldeten Chargen und konnte den Sachverhalt
bestätigen. Die Geruchsprüfung nach Ph. Eur. 2.3.4 ergab in allen Fällen
auch nach 15 Minuten einen deutlich wahrnehmbaren Geruch der
Retardtabletten im Vergleich zum entleerten Aluminium/Aluminium-Blister.
Der Hersteller prüfte betroffene Bulkchargen. Diese wiesen jedoch im
Vergleich zu den verblisterten Tabletten noch keinen vergleichbaren
Geruch auf. Als mögliche Ursache wird die Kunststoff-Aluminium-Formfolie
für die Verblisterung genannt, da diese bei allen betroffenen Chargen
des Fertigarzneimittels identisch ist. Ein sensorischer Test des
Folienherstellers ergab, dass der Geruch vom Kunststoffanteil der Folie
ausgeht. Es wird vermutet, dass die aus der Folie freigesetzten
Geruchsmoleküle von der mikrokristallinen Cellulose, einem
Hauptbestandteil der Retardtabletten, angenommen wird. Dies könnte
erklären, warum der Geruch auch nach der Entnahme von den Tabletten
ausgeht. Die Untersuchungen des Herstellers hierzu dauern derzeit noch
an (3). Der AMK liegen mit Stand 23. August 2021 noch keine weiteren
Erkenntnisse vor.
Die AMK bittet daher ApothekerInnen Patienten,
die einen unangenehmen Geruch bei Metoprololsuccinat 95 mg
Retardtabletten der Firma AL beklagen, angemessen zu beraten und auf die
Risiken, die von einem eigenmächtigen Absetzen ausgehen können,
hinzuweisen. Wenn ein „Auslüften“ der Tablette nach dem Ausblistern oder
die Einnahme zum Essen nicht zur Besserung der Einnahmetreue beitragen,
sollte eine engmaschige Blutduckkontrolle und ein Herstellerwechsel
erwogen werden. Zu diesem Zweck sind gegebenenfalls pharmazeutische
Bedenken mit dem Hinweis „Geruch/Non-Adhärenz“ geltend zu machen.
Zur Meldung eines ungewöhnlichen Geruchs von Arzneimitteln, welcher
nicht im Rahmen der Fertigarzneimittelprüfung festgestellt wurde, wird
ApothekerInnen empfohlen, primär das UAW-Formular zu nutzen (s.
www.arzneimittelkommission.de). Damit lassen sich wichtige
patientenindividuelle Faktoren angemessen beurteilen. Bitte beachten Sie
bei der Auswahl des Meldeformulars auch die Hinweise der AMK (4). /
Quellen
1) ALIUD PHARMA® GmbH; Fachinformation Metoprololsuccinat AL 47,5 mg/- 95 mg/- 190 mg, Retardtabletten; Stand: Juli 2014.
2) Arzneimittelinduzierte Störungen des Geruchs- und Geschmackssinns. AMB. 2010 (44): 81
3) STADA Arzneimittel AG an AMK (E-Mail-Korrespondenz);
Reklamationen - Metoprololsuccinat AL Retardtabletten – Geruch. (30.
Juli 2021)
4) AMK; In eigener Sache: Die Qual der Wahl – die zwei Meldeformulare der AMK. Pharm. Ztg. 2020 (165) 50:101